Verlag 28 Eichen


Mathilde Fibiger
Foto: Thora Hallager

Mathilde Fibiger
als Autorin  im Verlag 28 Eichen

 

Clara Raphael. Zwölf Briefe.
Herausgegeben von Nadine Erler.

 

 

Zum ersten Mal in meinem Leben macht es mir Kummer, daß ich kein Mann bin. Wie arm und inhaltslos ist doch unser Leben gegen das der Männer! Ist es gerecht, daß die Hälfte der Menschheit von geistiger Beschäftigung ausgeschlossen ist? Oder hat unser Herr uns wirklich aus geringerem Stoff geschaffen als die Männer (was ich einen der interessantesten Herren hier in vollem Ernst behaupten hörte)? Müssen wir uns also damit begnügen, automatisch die triviale Arbeit auszuführen, die uns im Leben zugewiesen wird? Hat unser Geist denn keine Kraft und unser Herz keine Begeisterung? O doch, aber das eigentliche Leben in uns ist nicht zu Bewußtsein gekommen, unser Geist ist gefangen, und das Vorurteil steht am Gefängnistor Wache!

 

Mathilde Lucie Fibiger,
1830 (Kopenhagen) – 1872 (Århus),
wuchs als  das jüngste von neun Kindern in einer sehr gebildeten Familie auf; ihr Vater war Hochschullehrer an einer Militärakademie, die er jedoch wegen zu demokratischer Vorstellungen verlassen mußte. Ihre Brüder absolvierten ein Studium. Bereits als Kind schrieb sie Gedichte und Theaterstücke, was in ihrer Familie nicht ungewöhnlich war. Nach der Trennung der Eltern lebte sie bei ihrer Mutter bis zu deren Tod im Jahre 1844, danach bei ihrem Vater in Kopenhagen. Mit 19 wurde sie Hauslehrerin und verdiente Geld mit Näharbeiten und als Porzellanmalerin. Nachdem bereits das Erscheinen des Briefromans "Clara Raphael" für erhebliches Aufsehen sorgte, verursachte ihr 1854 erschienener Roman "Minona" wegen seines Themas (Inzest zwischen Geschwistern) einen Skandal – worauf sie das Schreiben aufgab und als Übersetzerin (u. a. E.T.A. Hoffmann) arbeitete. Bekannt geworden ist sie ebenfalls als die erste Telegrafistin in Dänemark.

 

Fibiger [...]

2) Mathilde, dän. Schriftstellerin, geb. 13. Dez. 1830, gest. 17. Juni 1872, rief durch ihre an sich unbedeutende Schrift »Klara Raphael, 12 Briefe« (1850), in der in Dänemark zum ersten Male die Frauenfrage aufgerollt wurde, eine lebhafte literarische Fehde hervor. Spätere Arbeiten blieben ziemlich unbeachtet. Ihrer Idee getreu wirkte sie praktisch als erste dänische Telegraphistin und Mitbegründerin des Frauenvereins (1871). Vgl. Margarethe Fibiger, Klara Raphael-Mathilde F. (Kopenh. 1891).

Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 535-536.

Foto aus dem Jahre 1853 (retuschiert)